Nikolaus Braun, Berliner Strassenszene (Gemälde)

Adventskalender 16. Dezember: Mittendrin

Publiziert am 16.12.2025

(Nikolaus Braune, Berliner Strassenszene, 1921)

Ein Bild wimmelnder Geschäftigkeit. eine Grossstadt zur Rush Hour, alles ist unterwegs, das Leben wimmelt, Menschen hasten, Strassenbahnen rattern, Autos hupen, das Gewimmel aus tausend Stimmen klingt wie das Summen in einem überdimensionalen Bienenstock. Und wie in einem Bienenstock ist hier alles vorhanden, was zum Leben nötig ist und was das Leben angenehm macht. Das ganze Leben ist hier versammelt. Vom Metzger mit den Schweinehälften bis zum eleganten Lederschuh, vom Übersetzungsdienst bis zum Kino, von Moden für Damen und Herren bis zum Bestattungsunternehmen, Von Werkzeug bis zu Antiquitäten, von der feinen Dame bis zur Prostituierten.
Berlin in den Zwanziger Jahren. Ein brodelnder Kessel voll Emotionen, Sensationen, Obsessionen und Destruktionen. Nach dem verheerenden Ersten Weltkrieg erfindet sich die Welt neu, die Sehnsucht danach, das verlorene Leben und die verlorene Zeit aufzuholen, die Schrecken des Krieges hinter sich zu lassen. Ein Babylon der verschiedensten Suchen und Sehnsüchte ist diese Stadt in den wilden 20ern. Die Serie „Babylon Berlin“ hat dieser Zeit ein atemberaubendes Denkmal gesetzt, das einen mitreisst in den faszinierenden, aber auch verstörenden Strudel dieser Epoche. In einem Lied heisst es:
Ein Tag wie Gold
In den Adern hunderttausend Volt
Eine Nacht, wie Samt und Seide
Ein Tag wie Gold
Ihr habt doch alles, was ihr wollt
Eine Nacht, schöner kann es nicht sein

Grüße nach Moskau, Paris, und nach Wien
Wir winken euch zu
Alles kommt nach Berlin
Alles schrill, jeder will, allen war immer klar, dass wir verrückt sind
Ein Tag wie Gold
Was übrig bleibt, das wird verzollt
Ein Schimmern
Denn was kümmern mich Bilanzen
Lass uns Tanzen

Mitten in diesem Durcheinander eine Kutsche, die in all der Modernität wie aus der Zeit gefallen scheint. Und diese Antiquität stösst auf einen Fremdkörper in deinem Wimmelbild der Moderne: eine junge Frau, die ihr frischgeborenes Kind in weisse Windeln gewickelt durch den Strom der Stadt navigiert. Sie ist unschwer als Maria zu erkennen.
So kommt Gott in die Welt. Unscheinbar, fast zu übersehen im Gewimmel der Zeit. Umschlossen und gefangen zwischen dem grellen Gelb von Bussen und Tram, ausgeliefert zwischen Scheinwerferlicht und Reklameleuchten, gefährdet unter die Hufe oder die Reifen zu kommen. Trotz allem. Und selbst in einem brodelnden Kessel wie Berlin, einem Babylon der Moderne: Gott ist unterwegs. Zu Dir. Zu mir. Die Sehnsucht nach Leben zu stillen und alle Wunden zu heilen. „Eine Nacht, schöner kann es nicht sein…“

Pfarrer Uwe Hayno Klaas Tatjes

Als Musik für heute wähle ich den bereits zitierten Song „Ein Tag wie Gold“ aus der grossartigen Serie „Berlin Baylon“

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