Cobbles in the Stream
August auf der Moldau. Ein leuchtendblauer Tag in der Sommerwärme. Etwas abseits vom lärmenden Tross unserer Kanufreizeit biegen wir um eine Flusskurve und gleiten auf unser Ziel zu. Eine kleine Lichtung mit Zeltplatz. Der Himmel spiegelt sich auf dem klaren Wasser und für einen Moment scheint es, als glitten unsere Boote über den Himmel zwischen den Wolken hindurch.Über eine kleine Schwelle im Fluss gleiten die Kanus problemlos hinüber und das Wasser dreht gurgelnd kleine Kreise und wirft Wellen, zwischen den Wellenkreisen sieht man die Steine auf dem Grund der Moldau schimmern.Im Gleiten durch den Wolkenhimmel und zwischen den tanzenden Wellenkreiseln, scheint die Welt auf einmal heruntergeregelt und still zu werden, so als würde der Gang der Welt weitergehen, aber man selbst in einer seltsam verlangsamten Bewegung diesen Augenblick erleben. Für einen Augenblick schaue ich unendliche Schönheit und werfe einen Blick in die Ewigkeit .In mein Tagebuch werde ich über diesen kurzen Moment schreiben: „In The River there are ancient cobbles. Under the cobbles there are words. If the water is Dancing in circles around the cobbles you can free the words. The words Form sentences of love and Dance in the Stream and become Part of the stream. If your Heart can read the sentences the Stream can Carry you.“ (Im Fluss liegen uralte Kiesel. Unter den Kieselsteinen sind Worte. Wenn das Wasser in Kreisen um die Steine tanzt, kannst du die Worte befreien. Aus den Worten bilden sich Sätze voller Liebe und werden ein Teil des Stroms. Wenn dein Herz die Sätze entschlüsseln kann, wird dich der Fluss tragen.)
Auch später in der Flusskneipe „U Fíka“ ein Aussetzer der Zeit, träge scheint die Welt im dösigen Sonnenschein dahinzufließen, während die Gespräche um mich herum weiterplätschern. Und ich spüre die Besonderheit dieses Moments, die Stille die sich mitten in der Welt ausbreitet, eine Ahnung all des Schönen, was ist, wir aber viel zu wenig erkennen.
Unser Leben ein Fluß, ein Dahinströmen an Menschen, Zeiten, Orten, Gesichtern, Eindrücken, Gefühlen, Fragmenten und Worten.
Wenig davon können wir festhalten, allerhöchstens für eine gewisse Zeit. Aber der Lebensstrom treibt uns weiter, unablässig, kräftig, übermächtig. Alles, was wir auf dem Fluss erleben ist vergänglich, zerbrechlich, durchsichtig wie Schmetterlingsflügel, auch wenn wir uns in der Illusion wiegen, wir könnten etwas festhalten, bewahren. Die wahre Schönheit hinter den Dingen erkennen wir nur in wenigen Augenblicken unseres Lebens. Das muss nicht traurig machen. Denn unter und hinter allem ist ein geheimes Muster, das in sich sinnvoll und gut ist. Wie alle Geheimisse versteckt es sich gut. Aber wenn es in uns und um uns in diesen besonderen Momenten still wird, können wir seine leise, sanfte, einprägsame Stimme hören. Wenn wir es erkennen, wenn wir anfangen zu sehen und zu hören, und sei es auch nur in einem Moment, ist es gut. Und die Erinnerung an Wolkenkanus und Wellenkreisel reist mit uns mit.
Pfarrer Uwe Tatjes
zu jenem Moment auf der Moldau, zu allem Erhabenen und Schlichten, das wir spüren könnenn, wenn wir das Schöne, ja, die Ewigkeit schauen passt für mich nichts besser als eine Musik, die ich immer wieder gerne neu entdecke:
das wunderbar fließende „The Beatitudes“ (Die Seligpreisungen) des russischen Komponisten Vladimir Martynov, gespielt vom Kronos Quartett: https://youtu.be/FskOzt6INlQ?si=H_Qq3zD5MgvEoBZS