Feuermenschen
„Ein Mann aus dem Dorf Neguá, an der Küste Kolumbiens, durfte in den Himmel auffahren. Als er zurück war, begann er zu erzählen. Er sagte, er habe von dort oben das Leben der Menschen betrachtet. Und er sagte, wir seien ein Meer kleiner Lichter. „Das ist die Welt“, sagte er, „Ein Haufen Leute, ein Meer kleiner Lichter“. Jeder Mensch leuchtet mit eigenem Licht. Man findet keine zwei Lichter, die gleich sind… Da sind Leute mit ruhigem Licht, das kein Windstoß zum Flackern bringt und solche mit Lichtern, die wie verrückt Funken sprühen… Lichter gibt es, die weder scheinen noch wärmen, aber andere bringen das Leben mit solcher Inbrunst zum Glühen, dass man sie gar nicht ansehen kann, ohne ständig mit der Wimper zu zucken und wer ihnen zu nahe kommt, fängt Feuer.“
Eduardo Galeano, Das Buch der Umarmungen
Feuermenschen
Es gibt Menschen, deren Feuer zieht uns an. Das Funkeln, die Wärme, die Leidenschaft in ihnen. Sie können uns selbst in Brand setzen, selbst durch einen kleinen Funken. Sie wecken die Sehnsucht in uns, lassen Ungeahntes hervortreten wie nach einem langen Schlaf, setzen das knisternde Gestrüpp unserer knochentrockenen Träume in Brand. In ihren Augen ist das Glimmen, das uns flüsternd von ihrem inneren Feuer erzählt, aus ihren Worten und Gesten spricht Wärme, an die wir fröstelnd näher heran rücken. Vor allem aber erinnern sie uns an das Feuer in uns. Und wenn dies Feuer brennt, sind wir unserem Menschsein näher. Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm. Mt 9,9Die Geschichte ist so einfach und doch so schön. Jesus geht an der Zollstation vor, wo Matthäus sitzt, vorbei und sagt einfach: Folge mir! Er diskutiert nicht mit ihm, macht keine Versprechungen, er ordnet auch nichts an oder befiehlt. Zwei Worte reichen, um Matthäus zu rufen, ihn einzuladen, ihn aufbrechen zu lassen. Die Gefahr ist, dass wir viel zu schnell hinweglesen über das, was hier geschieht. Denn was hier so spröde beschrieben wird, ist nicht weniger als das schöpferische Handeln Gottes selbst. Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Etwas Neues entsteht. Scheinbar aus dem Nichts heraus steht Matthäus auf, geht, folgt Jesus. Er wird frei, etwas ganz neues zu wagen, loszulassen und aufzubrechen, ohne erst groß zu überlegen oder zu diskutieren.Mir wird an dieser Szene klar, daß wir viel zu schnell über diese wichtigen Sätze hinweglesen könnten und dabei das Wichtigste und Beste verpassen… Ist es nicht so, daß die großen Dinge im Leben sich oft nicht spektakulär ankündigen? Das es vielmehr die leisen Zwischentöne sind in einer Bemerkung vielleicht, die mich aufhorchen lassen, ein Gedanke, der mir neu ist und mich nachdenken lässt… Ein Funkenflug, in einem Blick, den ich auffange, eine Geste, die mich tief berührt, nicht nur äußerlich, ein Anstoss, ein Impuls, den nur ich wahrnehme, eine Begegnung, die mich verändert, ein Zufall, aus dem etwas neues entsteht?Es gibt diese Augenblicke, dieses Kribbeln, diesen Funkenflug, in denen wir etwas von den Möglichkeiten des Lebens ahnen… Alles kann anders und neu werden. Wenn etwas wirklich neu werden soll, muss Gott im Spiel sein, seine schöpferische Kraft, die das Leben herauskitzelt, die die verborgenen Möglichkeiten aufdeckt, herauszieht, begeistert, einen aufbrechen lässt. Die uns an das Feuer in uns erinnert und uns wieder brennen läßt.
Pfarrer Uwe Tatjes
für das feuer offen bleiben, neugierig, wach und offen sein, das träumen nicht verlernen…. solfrid molland „svikt ikke dine drømmer“ (versage dir nicht deine träume) vom album „kathedral for tapte drømmer“