Nachdem ich ihn gestern schon angesprochen habe, soll es heute auch um ihn gehen: Knecht Ruprecht oder den Schmutzli, wie er in der Schweiz genannt wird. Er ist zwar nur eine Nebenfigur der Nikolausbräuche, nimmt in ihnen aber die Rolle des „bad cop“ ein, während der Nikolaus als „good cop“ agieren darf: den einen musst du fürchten, dem anderen darfst Du Dich anvertrauen.
Der Schmutzlich oder Knecht Ruprecht stammt vermutlich aus einer Übernahme eines alten, vielleicht vorchristlichen Brauchtums im Alpenraum, in dem die Perchten in den Rauhnächten nach Weihnachten ihr Unwesen treiben. Es sind dämonische, höllische Wesen, oft schauerlich, mit Hörnern, Hufen oder anderen schauerlichen Accessoires versehen.
Durch die Integration dieser Gestalten in die Nikolaustradition wurden sie sozusagen zu gezähmten Teufeln, die gar noch ihren Schrecken ausstrahlen, aber unter der Kontrolle des Guten, sprich des Nikolaus stehen. Aus ihnen entsteht dann in der Tradition der spätmittelterlichen Kinderschreckfigur (siehe zum Beispiel den Berner „Chindlifresser“-Brunen) die Gestalt des Knecht Ruprecht, die die Eltern in ihrer Pädagogik unterstützt, indem sie Fehlverhalten straft und gutes Beraten belohnt. Schliesslich bekommen am Ende nur die braven Kinder etwas. Die, die im Urteil des Ruprecht als nicht brav, als schlecht identifizierten Kinder gehen leer aus. Vielleicht sind sie aber auch nur eigenständig. unangepasst oder einfach ein wenig rebellisch.
Wir es klassisch in Theodor Storms bekannten Gedicht über Knecht Ruprecht heisst:
Ich sprach: „O, lieber Herre Christ,
Meine Reise fast zu Ende ist. Ich soll nur noch in diese Stadt,
Wo’s eitel gute Kinder hat.“
„Hast denn das Säcklein auch bei dir?“
Ich sprach: „Das Säcklein, das ist hier;
Denn Äpfel, Nuß und Mandelkern
fressen fromme Kinder gern.“
„Hast denn die Ruthe auch bei dir?“
Ich sprach: „Die Ruthe, die ist hier;
Doch für die Kinder, nur die schlechten,
die trifft sie auf den Teil, den rechten.“
Christkindlein sprach: „So ist es recht;
So geh mit Gott, mein treuer Knecht!“
Ich frage mich ja, ob wir diese Pädagogik von Strafe und Belohnung, das Konditionieren von Kindern wie dressierte Tiere, dieses Nebeneinander von Barmherzigkeit, für die die Nikolaustradition steht und Strafe einer unnachgibigen dunklen Gestalt, die ich fürchten muss, brauchen. Handelte Bischof Nikolaus nicht aus Mitgefühl udn Fürsorge für die Armen und Schwachen? Missbrauchen wir ihn nicht so als zynischen Dompteur, der mit Zuckerbrot udn Peitsche die Kinder auf Kurs bringt? Liebe sollte doch keine Bedingungen stellen oder berechnend sein, sie hat keine Freude an Leid oder Strafe. Oder anders gesagt: kann es denn gut werden, wenn wir böse Buben an Bord haben? Brauchen wir eine Pädagogik, die Frucht udn Strafe vor liebevolle Annahme und Wahrnehmung stellt?
Fragt sich: euer Pfarrer Uwe Hayno Klaas Tatjes
Zur Frage ob Nikolaus und Knecht Ruprecht überhaupt zueinander passen, fällt mir das melancholische Lied von Dan Berglund ein, der sich fragt, ob die Liebe denn niemals ob unserer Bosheit und unseres Scheitern müde wird? Ich hoffe nicht!